Wie du mit dem kleinen Wort noch dein Kind ermutigst

Peter

Peter (6 J.) sitzt vor seinem Aufgabenheft. Angestrengt malt er die ersten Buchstaben in sein Heft. Den Stift hält er schon richtig, aber mit solcher Kraft, dass Petra – seine Mutter – Angst hat, er könne zerbrechen. Während Peter versucht seine Buchstaben auf die Zeile zu setzen wandert seine Zunge im halboffenen Mund von einem Mundwinkel zum andern. Ein Ausdruck höchster Konzentration!

Plötzlich ziehen sich seine Augen zusammen und er runzelt die Stirn. Der Buchstabe, den er gerade geschrieben hat, befindet sich nicht auf, sondern leicht unter der Zeile. Er setzt für den nächsten Buchstaben an und drückt dabei so fest mit seinem Bleistift aufs Papier, dass fast ein Loch entsteht. Er runzelt die Stirn. Auch der nächste Buchstabe hält Peters Ansprüchen nicht stand. Er schwebt hoch über der Zeile.

Jetzt reicht es ihm. Er wirft den Bleistift hin, springt erbost vom Sessel und schreit: „Ich kann das nicht. Die blöden Buchstaben machen nie, was sie sollen. Ich lerne das nie.“

Petra versucht ihn zu beruhigen: „Aber ja, das schaffst du schon.“ Im Wunsch ihn zu ermutigen, zeigt sie auf die vereinzelten Buchstaben, die schon ganz gut gelungen sind. „Die sind doch sehr schön!“

Doch Peters Ansprüche sind andere. „Die sind gar nicht schön. Bei dem hab ich zu fest aufgedrückt. Bei diesem ist der Strich nicht gerade.“ Er fühlt sich unverstanden und beginnt zu weinen.

Peter kann seine eigene Leistung gut einschätzen. Das ist gut. Er ist ehrgeizig. Das hilft ihm voran zu kommen. Leider steht er sich mit diesem Ehrgeiz oft im Weg.
Wenn etwas nicht gleich klappt, verliert er den Mut und gibt ganz auf. Ganz oder gar nicht ist seine Devise.

Pia

Pia (5 J.) steht das erste Mal auf Eislaufschuhen. Ihr Wunsch ist es genauso gut auf dem Eis tanzen zu können, wie Miriam Ziegler. Lange hat sie die Mama gelöchert, dass sie Eislaufunterricht möchte. Diese hat das eine Zeit lang als Spleen abgetan. Ein Wunsch, der schnell wieder vergehen wird. Wie so viele andere auch. Doch die Sehnsucht und der Wunsch blieben. Also gab die Mama endlich nach.

Natürlich laufen die ersten Versuche am Eis nicht ohne Unfall ab. Pia stellt sich grundsätzlich geschickt an, doch sie erwartet zu viel von sich selbst.

Der Spruch: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.“, wurde für sie erfunden.

Am Ende der ersten Stunde mit der Eislauflehrerin wirft Pia ihre Eislaufschuhe ins Eck. Die mag ich nicht, die sind nicht so toll, wie die Schuhe von der Miriam Ziegler.

„Ja“, lacht die Mutter, „wenn der Bauer nicht schwimmen kann, ist die Badehose schuld!“

Pia findet das gar nicht lustig. „Ich werde nie so gut eislaufen wie Miriam Ziegler!“

Auch Kinder, die weniger ehrgeizig sind, als Peter und Pia machen sich oft mit Selbstzweifeln das Leben schwer.

[ctt template=“11″ link=“0Ibfh“ via=“no“ ]Kinder machen sich oft mit Selbstzweifeln das Leben schwer.[/ctt]

 

Schnell folgen dann Sprüche wie:

  • Das kann ich nicht.
  • Das lerne ich nie.
  • Das gelingt mir nie.

Oder gar:

  • Ich bin zu ungeschickt dafür.
  • Ich bin zu dumm dafür.

 

Wie kannst du als Elternteil da helfen?

  1. Nimm die Bedenken deines Kindes ernst

Meist können sich gerade diese Kinder selbst sehr gut einschätzen. Auf vorschnell ausgesprochenes Lob oder platte Tröstungen reagieren sie unwirsch bis trotzig.

Sei also ehrlich. Schau genau, was wirklich gut gelungen ist. Oft sind es nur kleine Details. Die kannst du herausstreichen, damit dein Kind auch die kleinen Fortschritte sieht.

Petra könnte z. B. nachsehen, wo der Druck mit dem Bleistift genau richtig war. Oder auch, welche Buchstaben genau auf der Linie stehen.

Pias Mama könnte darauf hinweisen, dass Pia in ihrer ersten Eislaufstunde kaum hingefallen ist und über ein hervorragendes Gleichgewichtsgefühl verfügt. Ein paar Mal hat sie zwar gezappelt. Sie konnte aber mit Bewegungen der Hände so gut ausgleichen, dass sie sich im letzten Moment abfangen konnte.

  1. Das kleine Wörtchen „noch“

Wiederhole die Sätze wie „Das kann ich nicht.“ Und füge das kleine Wort noch ein.

„Das kannst du noch nicht.“

Was drückst du mit dem Wort noch aus?

Damit drückst du auf eine elegante Art und Weise aus, dass du auch siehst, dass noch Luft nach oben besteht. Du signalisierst, dass es mit Übung und Ausdauer schließlich klappen wird.

Noch schenkt Hoffnung

Dieses kleine Wort ist in der Lage Hoffnung und Zuversicht zu schenken. Jetzt kann ich es noch nicht. Aber bald schon werde ich es können.

Noch motiviert

Das Wort noch macht aber auch klar, dass für den Erfolg etwas getan werden muss. Es motiviert also dran zu bleiben und weiter zu üben.

Noch eröffnet Möglichkeiten

Ich kann etwas noch nicht. Das lässt das Tor für Entwicklung offen.

Und dabei ist es egal, ob mir diese Fähigkeit wichtig ist, oder nicht. Natürlich ist die Wirkung von noch ungleich stärker, wenn auch eine Lernabsicht dahinter steht.

Ist es nicht schön, was ein einzelnes kleines Wort bewirken kann?

Eine kleine Warnung gebe ich dir noch mit: Benütze das Wort nicht allzu oft. Denn bei übermäßigem Gebrauch verliert es seine Wirkung.

Bleib gelassen!

 

 

 

 

 

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