Grenzen setzen in der Trotzphase

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„Mein Kind ist jetzt in der Trotzphase!“ ist ein Satz den ich von genervten Eltern immer wieder höre. Die nächste Frage ist dann oft: „Wie kann ich im Trotzalter Grenzen setzen, ohne mein Kind in seinem Drang nach Autonomie zu behindern?“

Von vielen Eltern wird diese Phase als besonders anstrengend empfunden. Stehen doch aufgrund des wachsenden Autonomiebedürfnisses des Kindes beinahe täglich neue Machtkämpfe und Konflikte an. Grenzen setzen im Trotzalter stellt viele Eltern vor eine Herausfordern.

Marias Mutter formulierte es mir gegenüber einmal so: „Ich habe manchmal wirklich schon morgens Angst. Schließlich weiß ich nicht, ob nicht schon beim Frühstück der erste Brüllanfall erfolgt, weil mein Kind heute seinen Kakao nicht aus der roten Tasse trinken kann.“

Keine Angst vor Autonomie

Eines gleich vorweg. Keine Angst vor Autonomie. Ich bin sicher, du willst ein selbstbewusstes und selbständiges Kind. Genau diese Eigenständigkeit muss dein Kind aber auch üben!

Dein Kind übt immer in einem Umfeld, in dem es sich sicher und geborgen fühlt. Also vor allem bei und mit der Familie.
Das kann anstrengend sein und ist gleichzeitig ein großer Zuneigungsbeweis. Genau so solltest du es auch sehen! – Das nimmt gleich einiges an Druck raus.

Das Kind nimmt seine Begrenzungen jetzt erst richtig wahr

Eben weil dein Kind selbstständig werden will, nimmt es seine eigenen Begrenzungen nun richtig wahr. Es eifert in seiner Entwicklung den Großen nach und merkt, dass es manche Dinge nicht kann und darf. Dabei möchte es doch so gerne!

  • Es möchte mitentscheiden und mitmachen!
  • Es möchte auch bestimmen dürfen!
  • Es möchte fair behandelt werden!
  • Und es will selbst aktiv werden und seine Kompetenz beweisen!

Dabei stößt dein Kind an seine Grenzen. Es merkt genau, dass es all das noch nicht richtig kann. Das frustriert.

Wenn dann noch du, als bewunderte und geliebte Mama, etwas bestimmt oder verbietest, für das sich das Kind grundsätzlich in der Lage fühlt, dann muss es sich aus seiner Sicht zur Wehr setzen. Es stimmt Protestgeheul an, trotzt, geht in die Verweigerung und kooperiert nicht.

Auch in der Autonomiephase können Eltern nicht alles durchgehen lassen

Wie also kann es gelingen, dass ein Kind seine Eigenständigkeit erproben darf und dabei trotzdem die familiären Regeln einhält?

Meine Tipps für genervte Eltern

So oft es geht, das Wort NEIN vermeiden

Ganz oft sagen Erwachsene „nein“, wenn sie eigentlich etwas ganz Anderes meinen. Jede Weisung ist für die Kinder mit Lust- oder Frusterlebnissen verbunden. Kinder haben schon früh gelernt, dass auf ein Nein ein Frusterlebnis folgt. „Das darf ich nicht!“ – und das fühlt sich nicht gut an.

Der kleine Peter will allein sein Wasser einschenken. Er greift zum Wasserkrug. Seine Mutter hat Angst, dass ihm der Krug zu schwer ist. „Nein!“ ruft sie
und meint damit: „Vorsicht! Der Krug ist schwer.“
Diese Information wäre für Peter sehr hilfreich und vielleicht kann er es dann doch selbst.

Lea spielt in der Wohnung. Plötzlich entdeckt sie die große Topfpflanze im Wohnzimmer. Sie steht in einem großen Topf am Fußboden. Neugierig schaut sie in den Topf und entdeckt, dass diese Pflanze nicht in Erde sondern in Tongranulat gesetzt wurde. Das macht sie neugierig. Ihre Mama sieht das und ruft: „Nein!“. Sie meint: „Das Granulat bleibt im Topf. Die Pflanze braucht das um zu wachsen.“
Leas Mama könnte zu ihr gehen, ihre Hand nehmen und Lea in die Augen sehen und genau diesen Satz sagen. „Das Granulat bleibt im Topf.“

Alternativen anbieten

Alternativen anzubieten ist sowohl hilfreich wenn du deinem Kind Gelegenheit geben willst mitzubestimmen, als auch, wenn du dein Kind von etwas abhalten und ihm eine Alternative anbieten willst.

In der Früh könnte Marias Mutter zum Beispiel Maria fragen: „Willst du heute Milch oder Kakao zum Frühstück?“ und dann einfach die Antwort abwarten.

Wenn sie mag kann sie danach Maria auch noch anbieten die Tasse selbst auszusuchen. – Schon ist ein Konfliktherd entschärft. Maria kann sich einbringen und mitbestimmen. Die Mutter signalisiert mit diesen Fragen: „Ich nehme dich erst und ich traue dir diese Entscheidung zu!“

Leas Mutter könnte nach der Begebenheit mit dem Granulat anbieten Murmeln auf dem Boden zu rollen oder mit Knete zu spielen. Wenn es um die Erfahrung mit Material und seine Haptik geht, dann wird Lea das Angebot akzeptieren. Vielleicht will Lea aber auch mehr über Pflanzen erfahren. Dann kann die Mutter Lea andere Topfpflanzen zeigen und ihr erklären, welche Pflanze es gern trocken und welche gerne feucht hat.

Zeit einplanen

Eines der Lieblingswörter von Kindern im Alter von 2 bis 3 ½ Jahren ist „alleine“. Sie wollen ihre Kompetenz beweisen und sich selbst anziehen, selbst das Wasser einschenken oder selbst mit der Schere schneiden. Leider hinkt die Kompetenz deutlich hinter dem Willen hinterher. Das wissen Kinder auch. Sie spüren, dass sie üben müssen, um die Dinge wirklich zu beherrschen. Genau darum wollen sie alles selbst machen!

Manche Eltern machen aber dann den Fehler, ihrem Kind oder sich selbst den Alltag erleichtern zu wollen. Sie schreiten helfend ein. Schließlich sind sie ja schneller.
Das ist auch verständlich. Eltern haben wenig Zeit und der Alltag stellt so viele verschiedene Anforderungen.

Wenn du deinem Kind diese schwierigen Aufgaben wohlmeinend abnimmst, entmutigst du dein Kind. Du signalisierst ihm unbewusst und non-verbal, dass du ihm (noch) nicht zutraust, die Sache selbst zu erledigen. Dabei wünscht sich dein Kind nichts mehr als deine Unterstützung.
Dein Kind erlebt dich als stark und kompetent und kann sich kaum vorstellen, dass es je so geschickt und selbständig wird wie du.

Kinder brauchen Übung, um die täglichen Handlungen zu trainieren. Das braucht Zeit. Denn Kinder sind um Vieles langsamer als Erwachsene.

Plane viel Zeit ein:

  • Zum Schuhe anziehen
  • Für das selbständige Schließen vom Reißverschluss
  • Für die Mithilfe beim Ausräumen der Spülmaschine

Die Zeit, die du jetzt investierst, lohnt sich! Du wirst ein Kind haben, das sich kompetent fühlt und lernt mitzuhelfen und sich einzubringen.

Langsamkeit ist Trumpf – auch bei dir

Kinder beobachten und machen nach.

Oft ist es für Kinder schwierig unseren Bewegungsabläufen zu folgen. Sie können die einzelnen Handlungen einer Abfolge nicht klar voneinander unterscheiden und daher auch nicht richtig nachvollziehen.

Es hilft Kindern, wenn du einen Ablauf ganz langsam, quasi im Schneckentempo vormachst und dabei keine zusätzlichen Erklärungen gibst. So kann sich das Kind ganz auf das, was du vorzeigst konzentrieren. Z. B. wie man Schuhe auf der Matte abstreift, eine Jacke aufhängt, ein Glas Wasser eingießt oder Ähnliches.

Kleiner Hinweis: Wenn du das Gefühl hast alles übertrieben genau und viel zu langsam zu zeigen, dann ist es für das Kind gerade richtig.

Keine Warum-Fragen bei Fehlverhalten

Kinder handeln in diesem Altern noch meistens ungeplant und aus einem Impuls heraus.

Wenn das Kind sich also vor dem Essen aus der Konfekt-Schale im Wohnzimmer bedient, dann kann es auf die Frage: „Warum hast du das gemacht. Du weißt doch, dass wir gleich essen!“ keine vernünftige Antwort bieten. Dein Kind steht vielleicht mit schokoladeverschmiertem Mund vor dir und spürt, dass du verärgert bist. Es schluchzt vielleicht und schaut betrübt. Es wollte dich nicht verärgern. Die Bonbons waren einfach so verführerisch. Aber das kann es noch nicht ausdrücken.

Diese Warum-Frage verunsichert das Kind nur unnötig.

Keine langen Schachtelsätze

Dein Kind liebt dich und möchte, dass du mit ihm zufrieden bist. Kleinkinder tun das meiste für die Eltern.

Mit langen Schachtelsätzen sind Kinder aber überfordert. Sie können ihnen nicht folgen und wissen dann nicht, was sie tun und lassen sollen. Auch das ruft Verunsicherung hervor.

Verunsicherung bedeutet aber auch ein Gefühl, das Frust auslöst. Und dieser Frust endet oft in Widerstand und Trotz.

Benütze also kurze Sätze mit klaren Worten. Bleibe dabei freundlich und lächele dein Kind eventuell sogar an. So weiß es: Ok, auch wenn mir das, was die Mama will nicht passt, meint sie es trotzdem gut.

Behalte immer im Kopf, dass Grenzen für dein Kind auch Sicherheit bedeuten

Mit diesem Gedanken im Kopf wirst du dich viel sicherer fühlen, wenn du einmal etwas verbieten musst. Du kannst dabei freundlich bleiben und ab und zu auch Widerstand akzeptieren.

Denn auch Trotzgeschrei gehört manchmal dazu. Kinder testen die Grenzen manchmal genau dann aus, wenn sie sich sicher fühlen wollen und Halt suchen.

Bleib gelassen!

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