Rollenklarheit

Rollenklarheit ist ein ziemlich abstrakter Begriff und er ist sehr vielschichtig. Er wird sowohl im beruflichen, als auch im privaten Kontext verwendet. Ich möchte heute mit dir klären, warum Rollenklarheit als Frau und Mutter so wichtig ist.

Was sind Rollen?

Der Begriff Rolle stammt ursprünglich aus dem Theater. Später wurde dieser Begriff – weil er so passend war- von der Soziologie und Sozialpsychologie entlehnt.
Laut Ralph Linton fasst die soziale Rolle die Gesamtheit der zugeschriebenen Modelle dar, die mit einem Status (Mutter, Vorgesetze, Ärztin, Priester, Chefin etc.) verbunden werden. Dazu gehören Erwartungen, Werte, Handlungsmuster, Verhaltensweisen …

Warum Rollenklarheit als Frau und Mutter so wichtig ist

Wie ein Schauspieler muss sich ein sozialer Akteur seinen Rollen gemäß verhalten. Sonst ist seine Umwelt irritiert.

Welche Rollen hast du?

Die Rollenlandkarte

Übung

Hier kommen wir gleich zu einer ersten Übung, die mit dem Thema Rollen verbunden ist.
Setz dich hin und überlege dir, welche Rollen du überhaupt innehast. Dabei ist es im Moment noch nicht wichtig, ob du diese Rolle erfüllen und ausfüllen willst oder nicht. Du brauchst dir auch noch keine Gedanken machen, wie du diese Rolle gestaltest.

Ich nütze für so eine Rollenlandkarte am liebsten Mind-Maps.

So könnte deine Rollenlandkarte aussehen:

Rollen einer Frau

Du siehst schon: Das sind ganz viele Anforderungen an eine Person. Denn mit jeder dieser Rollen sind Anforderungen verbunden.

Manche davon stimmen mit deinen Werten überein und du  wirst sie leicht ausfüllen.

Andere Rollen haben vielleicht einmal zu dir gepasst, aber jetzt bist du daraus herausgewachsen, wie aus einem Kleid aus Kindertagen. Diese Rollen zwicken und zwacken. Sie fühlen sich einerseits vertraut an, sind aber andererseits unbequem. Das kann bis zur Belastung gehen.

Und dann ist es auch noch wichtig, wie du dich wann verhältst. Denn ein Verhalten, das für die eine Rolle durchaus passend sein kann wird in einer anderen Rolle sowohl von dir, als auch von deiner Umwelt als irritierend empfunden.

Andererseits sollten die Rollen auch zu dir passen. Denn wenn du ständig in den falschen Rollen steckst, dann verlierst du deine Balance. Du fühlst dich unwohl und verleugnest deine Identität. Du handelst vielleicht in manchen Situationen gegen deine Werte und gibst vor jemand zu sein, der du nicht bist. Einfach, weil du das Gefühl hast, einer Rolle gerecht zu werden.
Langfristig macht dich das aber kaputt. Du wirst müde, antriebslos und unzufrieden. Mit einem Satz: Du bist nicht mehr du selbst!

Nicht jede Rolle suchst du dir selbst aus – Zugeschriebene Rollen

Auch andere Menschen haben Erwartungen an dich. Nehmen wir die Rolle der Tochter als Beispiel.
Jedes deiner Elternteile hat bestimmte Erwartungen an dich in Bezug auf dein Verhalten, deine Persönlichkeitsmerkmale, deine Werte, deine Reaktionsweisen etc.

Ein Elternteil sieht in dir vielleicht die Intellektuelle, die ihre Karriere vorantreibt und zielstrebig ist.
Das andere Elternteil legt Wert auf deine kreativen Anteile, deine Spontaneität, dein Empathie und deine Fähigkeit alle liebevoll zu unterstützen.

Andere Rollenzuschreibungen wäre ein besonders weibliches Verhalten, das Verhalten einer guten Vorgesetzten, einer tollen Mutter oder eines Erwachsenen.

Immer wenn du Sätze hörst wie:

  • So verhält sich keine gute Mutter!
  • Das macht man als Vorgesetzte nicht.
  • Wie kann man als Frau nur xy.

… dann weißt du, dass damit Rollenzuschreibungen verbunden sind. Es sagt etwas über die Menschen aus, die diese Sätze sagen.
Du erfährst damit, wie sie Mütter, Vorgesetze, Frauen … sehen.

Unterschiedliche Rollen sind mit unterschiedlichen Aufgaben, Anforderungen und Zuschreibungen verbunden

Bestimmte Aufgaben und Anforderungen sind eng mit einer Rolle verbunden.
Als Mutter bist du für dein Kind verantwortlich. Du sorgst dafür, dass es deinem Kind gut geht, dass es genug zu essen hat, dass es sich gut und sicher entwickeln kann.
Das sind die Fakten!

Doch gerade die Rolle der Mutter ist mit unendlich vielen Zuschreibungen verbunden:

  • Eine gute Mutter stillt.
  • Nur wenn du dich für dein Kind aufopferst und selbst zurücknimmst, bist du eine gute Mutter.
  • Gute Mütter spielen geduldig mit ihren Kinder.
  • Wirklich liebevolle Mütter schreien nie.

Puh! Welche Last geht mit all diesen Zuschreibungen einher.

Wir dürfen nicht zulassen, die uns die begrenzte Wahrnehmung anderer Menschen definiert.

Virginia Satir

Was passiert wenn die Unterschiede zwischen den einzelnen Rollen zu groß sind (konfligierende Rollen)

Rollenkonflikte entstehen dann, wenn an eine bestimmte soziale Rolle unterschiedliche und einander widersprechende Erwartungen gestellt werden. Darüber habe ich auch hier schon geschrieben.

Es gibt Intra-Rollenkonflikte und Inter-Rollenkonflikte.

Ein Intra-Rollenkonflikt

Du bist angestellt und deine Kollegin erwartet, dass du dich an eine bestimmte Vereinbarung bezüglich deiner Urlaubsplanung hältst, weil ihr eure Anwesenheitszeiten aufeinander abgestimmt habt. Dein Chef erwartet aber, dass du zu einer anderen Zeit Urlaub nimmst, weil er dich bei einer wichtigen Besprechung dabei haben will.

Du siehst schon Rollenkonflikte begegnen uns Tag für Tag. Viele davon bemerken wir nur am Rande. Andere belasten uns.

Inter-Rollenkonflikte

Bei einem Inter-Rollenkonflikt geht es um Erwartungshaltungen, die aus den unterschiedlichen Rollen einer Person entstehen.

Dein Kind erwartet, dass du dir am Wochenende Zeit zum Spielen nimmst. Dein Partner oder deine Partnerin erwarten, dass ihr gemeinsam das Wohnzimmer renoviert und deine Eltern erwarten, dass du zum Sonntagsessen kommst.

Gar nicht so weit weg von der Realität! Solche Wochenenden gibt es. Je nachdem ob du deine eigenen Rollen gut auseinander halten kannst, wirst du mit der Situation mehr oder weniger gut zurechtkommen.

Und jetzt? – Rollenklarheit: Wer bin ich wann

Rollenklarheit hat spannenderweise sehr viel mit Achtsamkeit und Präsenz zu tun. Wenn du dir über deine Rollen klar bist, fällt es dir viel leichter mit deinem Kopf genau hier, bei dieser Aufgabe zu sein, die von dir gerade gefordert wird.

Du sitzt im Zug auf dem Weg zur Arbeit und in deinem Kopf geht es zu wie in einem Bienenstock. Deine Gedanken kreisen um die Erlebnisse des letzten Tages. Dabei steht heute eine wichtige Präsentation beim Kunden an, die du noch einmal durchgehen willst.

  • Wird meine Tochter die Schularbeit gut schaffen? Genug gelernt hat sie hoffentlich.
  • Was muss ich am Abend auf dem Weg nach Hause noch einkaufen? Brot, Milch, Obst und da war doch noch etwas? Hmm?
  • Am Abend muss ich mich noch mit meinem Partner zusammensetzen und die Urlaubsplanung machen. Gerade heuer ist das so wichtig!
  • Meine Eltern wollte ich heute auch noch anrufen.
  • Ach und den Herrn von der Versicherung muss ich noch kontaktieren, um die zerbrochene Glas-Tischplatte zu melden.

Wie schaffst du es also in der Rolle der souveränen Mitarbeiterin anzukommen und eine glanzvolle Leistung bei der Präsentation hinzulegen. Wie schaffst du es, deine Kompetenz, die mit deiner Rolle einhergeht auch auszustrahlen?

Dazu braucht es Rollenklarheit

Damit sind wir auch schon bei der nächsten Übungssequenz.

Übung

Stell dir in so einer Situation folgende Fragen:

  • Wer bin ICH hier? – ICH – der personale Aspekt der Rolle
  • Wer bin ich HIER? – HIER – der lokale Aspekt und der Kontext der Rolle
  • Wer bin ich JETZT? – JETZT der temporale Aspekt der Rolle (Wie lange bist du in dieser Rolle?)

Bist du hier als Freundin, Mutter, Partnerin, Mitarbeiterin, Führungskraft?
Was wird HIER in dieser Rolle von dir erwartet? Welche Aufgabe hast du?
Wie lange bist du in diesem „JETZT“? Wann wird es Zeit diese Rolle wieder abzuschütteln?

Erwartungen abfragen und die Rolle klären

Wie schon weiter oben erwähnt sind Rollen eine Bündelung von Erwartungen an eine Person in einem Bestimmten Umfeld (Kontext). Diese Rollen werden aber nicht nur von der Person, sondern auch von der Umwelt und den anderen beteiligten Personen geprägt. Diese Rollenerwartungen beziehen sich einerseits auf das Verhalten einer Person in einer bestimmten Rolle, aber auch an bestimmte Attribute die mit dieser Rolle verbunden sind. Rollenattribute bestimmen die Erwartung wie eine Person in einer Rolle auszusehen hat, welche Werte sie vertritt und welchen Charakter sie hat.

Die Rollenattribute die man zum Beispiel mit dem Idealbild eines Priesters verbinden könnte sind:

  • Empathie
  • Würde
  • Integrität
  • Hilfsbereitschaft
  • Wahrhaftigkeit
  • Ehrlichkeit
  • maßvolles Verhalten

Du siehst schon diese Attribute hängen auch ganz stark vom eigenen inneren Bild und den Erfahrungen ab, die du mit einer bestimmten Menschengruppe gemacht hast. Denn wenn du einen alten, mürrischen und tratschhaften Priester erlebt hast, dann wird sich bei der obigen Aufzählung alles in dir Aufbäumen und du würdest am liebsten aufschreien: „Nein, Priester sind nicht so!“

Deine 3 Schritte zu Rollenklarheit

Erwartungen bewusst machen

Mach dir zuerst bewusst, welche Rolle du gerade einnimmst.
Werde dir auch klar, welche Rollen die beteiligten Personen haben.

Wir nehmen jetzt der Einfachheit halber und weil es in diesem Blog passt die Rolle der Mutter.

Welche Erwartungen hast du selbst an dich in dieser Rolle?

  • Möchtest du als Mutter besonders zugewandt sein?
  • Ist es dir wichtig geduldig zu reagieren?
  • Legst du Wert darauf, dich ständig zu erklären?
  • Willst du als Mutter besonders gerecht sein?
  • Oder ist dir Empathie und Verständnis für deine Kinder besonders wichtig?
  • Legst du Wert darauf, dass deine Kinder sich an Abmachungen und Regeln halten?

Welche Erwartungen hat dein Kind in dieser Situation an dich?
Achtung: Wenn du es in der Situation mit zwei Kindern zu tun hast, können deren Erwartungen an dich ganz unterschiedlich sein. Am klarsten wird das beim Geschwisterstreit. Jedes Kind möchte am liebsten, dass du zu ihm hilfst und ihm Recht gibst.

Sind noch andere Personen beteiligt? Und welche Erwartungen habe sie?
Wenn du einen Geschwisterstreit im Kaufhaus schlichten musst, bist du womöglich mit den Erwartungen der anderen Kunden konfrontiert.

Bist du in der Wohnung deiner Eltern, dann hörst du vielleicht Sätze wie:

  • Also ich hätte mir das nie so bieten lassen.
  • Oder: Du bist viel zu geduldig und verständnisvoll.

Erwartungen klären

Einer der Sprüche in unserer Familien ist: „Sprechenden Menschen kann geholfen werden.“
Sprich mit deinen Familienmitgliedern darüber was sie von dir in einer bestimmten Rolle erwarten. So weißt du was Sache ist und brauchst nicht spekulieren, was die anderen vielleicht voraussetzen oder denken. Oft ist es ja so, dass wir in eine bestimmte Reaktion etwas hineininterpretieren. Dabei ist der tatsächliche Grund ein ganz anderer als wir vermuten.

Ich gebe dir ein einfaches Beispiel aus dem Familienalltag:
Dein Sohn hatte Schularbeit und kommt nach der Schule grantig nach Hause. Wenn du sehr leistungsorientiert bist, denkst du sicher gleich, die Laune sei mies, weil die Schularbeit so schwer war. Besorgt fragst du: „Na, war die Schularbeit so schwer. Es macht nichts, wenn es diesmal daneben ging.“
Dein Sohn sieht dich verständnislos an: „Warum? Die Schularbeit war eh leicht. Aber ich hab mit Tim gestritten. Er ist jetzt sauer … und ich auch.“

Erwartungen anpassen

Weiter oben habe ich ja schon über die zwei möglichen Rollenkonflikte geschrieben. Wie aber löst du jetzt den Konflikt?

Ganz einfach du hältst dich an ein weiteres Zitat von Virginia Satir.

Wir müssen aus der Rolle fallen, damit wir aus der Falle rollen.

Virginia Satir

Das heißt, du passt die eigenen Erwartungen an die Rolle an. Kläre erst einmal ab, was für dich wirklich wichtig ist. Welche Werte sollten unbedingt erfüllt werden. Du bist nicht gleich eine schlechte Mutter, weil du einmal mit deinem Kind schimpfst. Du bist aber auch nicht verpflichtet die Erwartungen deiner Mutter, die mit deiner Rolle verknüpft sind zu erfüllen.

Zum besseren Verständnis wieder ein Beispiel:

In einem Vortrag fragte mich eine Mutter einmal, was sie tun könne, weil ihr Kind so schlecht isst. Dieses Thema ist mir nicht unbekannt. Es taucht immer wieder auf. Daher bat ich die Mutter aufzuzählen, was ihr Kind denn isst. Es folgte eine lange Liste: „Jede Sorte Fleisch, Nudeln, Knödel, Reis, Kartoffel, Fleischsaft, Suppen, Nockerl, Spätzle und Salat.“ Verwundert schaute ich sie an und meinte: „Das ist mehr, als andere Kinder dieses Alters essen. Wo ist das Problem?“ Die Mutter: „Naja, er isst kein Gemüse.“ „Aber er isst doch Salat“, meinte ich. „Wie oft isst er denn Salat?“ Die Antwort der Mutter lautete: „Täglich mindestens 2 Mal. Am liebsten würde er auch schon zum Frühstück Salat essen.“

Jetzt war ich echt erstaunt. Wo lag bloß das Problem. Nach mehrmaligem Nachfragen platzte aus der Mutter heraus: „Ja aber meine Mama schimpft immer, weil er keine Karotten isst.“



Merkst du etwas. Die Mutter hatte aus dem Rollenkonflikt heraus einen Stellvertreterkrieg mit dem Kind geführt. Das Kind ernährte sich altersgemäß ausgewogen. Die Mutter des Kindes konnte auch gut damit leben. Aber die Oma des Kindes nicht. Und für das Wohlergehen der Oma – also der eigenen Mutter – fühlte sich die Mutter genauso verantwortlich wie für das Kind.

Hier hilft nur zu denken: „Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen“

Du kannst es einfach nicht jedem Recht machen.

Bleib gesund und gelassen!

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