So wird dein Kind selbstständig

Eva ist bei ihrer Freundin Monika zu Besuch. Sie ist erstaunt, wie selbstständig der dreijährige Leon schon ist. Er zieht sich bereits selbst an, holt sich selbstständig mithilfe eines kleinen Hockers ein Glas Wasser, und ist ein selbstbewusstes, offenes Kind.

Auch seine sechsjährige Schwester Mia ist nicht nur selbstbewusst. Sie macht auch ganz allein ihre Hausaufgaben. Selbst im Alltag ist sie sehr selbstständig. Sie geht ganz allein zur Schule und hilft auch bereitwillig im Haushalt mit. Naja, manchmal jedenfalls.

Ihren Kindern dagegen muss Eva überall helfen. Sie trägt ihnen alles nach. Ständig muss sie ihre Kinder an die Hausaufgaben erinnern.

Eva meint, dass Monika es mit ihren Kindern sehr leicht hat.

In anderen Kulturen ist die Bestärkung der kindlichen Selbständigkeit viel üblicher als im deutschsprachigen Bereich.

Eva sieht nicht alles

so wird dein Kind selbstständig

Denn Eva sieht ja nur einen Teil. Sie sieht die Erfolge und das Ergebnis.

Sie sieht nicht die langen Stunden, die Monika geduldig erklärt hat und wo sie immer wieder Hilfestellung geleistet hat. Monika ist eine entspannte Mama, die es in den ersten Jahren ihrer Kinder in Kauf genommen hat, dass ab und zu alles liegen blieb und dass viele Dinge unendlich lange gebraucht haben. Sie hat von Anfang an darauf gesetzt ihre Kinder in ihrem Drang nach Selbstständigkeit zu unterstützen. Auch wenn das bedeutet hat, dass sie 15 Minuten warten musste, bis sich der kleine Leon die Schuhe angezogen hatte. Oder wenn sie dabei zusehen musste, wie sich Mia beim Versuch das Geschirr abzuwaschen die ganze Küche unter Wasser setzte.

Es waren harte Jahre. Monika hat oft daran gezweifelt, ob sie das Richtige tut. Sie hielt sich im Hintergrund, war immer bereit einzuspringen. Sie fragte, ob ihre Hilfe erwünscht sei. Manchmal musst sie sich bewusst hinsetzen und tief atmen, um nicht einzugreifen, weil sie nicht dabei zusehen konnte, wie ihre Kinder sich abmühten. Aber wenn sie keine Unterstützung wollten, dann war das eben so!

Jeder geht Neues anders an

Natürlich haben Kinder einen unterschiedlichen Charakter und verschiedene Persönlichkeiten. Es gibt die Kinder die von Beginn an schon vieles allein machen wollen. Andere trauen sich selbst nicht viel zu oder sind schüchtern. Wieder andere wollen die Dinge alleine machen, sie zeigen aber große Unsicherheit beim „Wie“ oder sie haben simpel und einfach Spundus vor Neuem.

Da geht es Kindern nicht anders, als Erwachsenen. Auch für Erwachsene ist es oft schwer die Komfortzone zu dehnen und zu verlassen. Je nach Typus erfolgen dann Entwicklungsschritte in sehr kleinen Stufen, damit sie die Person selbst und andere es kaum bemerken. Andere gehen vorher sogar noch einen Schritt zurück und nehmen noch einmal so richtig Anlauf, um dann den Sprung zu wagen. Wieder andere nehmen ihre Angst an der Hand und machen einen beherzten Schritt ins Neue.

Die Rolle der Eltern

Egal, wie die Persönlichkeit deines Kindes ist. Du kannst viel beitragen, um deine Kinder auf dem Weg zur Selbstständigkeit zu unterstützen.

Denn es hängt auch von deiner Haltung ab, ob sich dein Kind selbst etwas zutraut.

Trau deinem Kind zu, selbstständig zu handeln

Lass dein Kind die Dinge selbst versuchen, wenn es das möchte. Auch dann, wenn du dein Eindruck hast, es ist noch nicht so weit. Die meisten Eltern unterschätzen ihre Kinder. Viele Dinge sind interessant in einem Alter, wo Eltern noch nicht glauben, dass ihr Kind das kann.

Geschirrspüler ein- und ausräumen z. B. ist eine Aufgabe, die bereits 2 – 3-jährige machen wollen. In diesem Alter haben die meisten Mütter Angst, dass sich die Kinder weh tun könnten oder dass Geschirr zerbricht. Das kannst du steuern. Gib deinem Kind immer nur ein Stück in die Hand. Du entscheidest, was das Kind einräumen darf. – Ja dann dauert das Geschirrspüler einräumen lange. Aber es lohnt sich.

Lass deinem Kind Zeit

Wenn dein Kind etwas selbst versucht, dann schenke ihm viel Zeit. Natürlich braucht es viel länger als du. Du hast jahrelange Erfahrung und viel Training. Dein Kind lernt gerade. Da dauert alles noch etwas länger.

Wenn dein Kind die Erfahrung macht, dass es die Zeit bekommt, die es braucht, dann wird es auch nicht so schnell den Mut verlieren.

Wenn du dein Kind hetzt und drängelst, dann bekommt dein Kind das Gefühl, es sei zu langsam und nicht gut genug. Das frustriert! Die Motivation für einen neuen Versuch sinkt.

Biete Hilfe an – dränge sie nicht auf

Die siehst, dass sich dein Kind plagt oder hättest Verbesserungsvorschläge? Dann biete deine Hilfe an. Sei aber nicht böse, wenn dein Kind diese Hilfe nicht will.

Manche Eltern können einfach nicht zusehen, wenn ihr Kind sich plagt und greifen dann einfach ungefragt ein und machen es selbst. Das demotiviert. Stell dir folgendes Beispiel vor: Du schälst einen Apfel und dein Partner oder deine Partnerin kommt und nimmt dir das Schälwerkzeug und den Apfel aus der Hand und macht einfach weiter. Du siehst, es geht schneller als bei dir. Wie geht es dir dabei?
Das ist eine Situation, der Kinder tagtäglich ausgesetzt sind.

Spare mit Kritik oder Verbesserung

Vor allem bei kleineren Kindern spare mit Kritik oder Verbesserung so lange sie etwas Neues lernen. Lass sie einfach einmal machen. Auf viele Fehler kommen sie selbst drauf.

Wenn du ständig korrigierst, verdirbst du nicht nur deinem Kind die Freude. Du nimmst ihm auch die Chance, selbst seine Fehler zu erkennen und zu korrigieren.

Es wird immer wieder Situationen geben, wo du Verbesserungsvorschläge hast. Mache dir eine geistige Notiz. Beim nächsten Mal zeigst du deinem Kind genau diesen Arbeitsschritt ganz genau.

Wie kannst du größere Kinder in ihrer Selbstständigkeit unterstützen?

Selbstständigkeit lernt ein Kind nur, wenn selbständiges Handeln ermöglicht und gefördert wird.

(Ilse Lechner)

Das bedeutet für dich, dass du dein Kind in seinem selbständigen Tun unterstützt, würdigst und es dazu immer wieder anregst.

Denn dieses selbst Tun schult die Geschicklichkeit, fördert das Planen von Handlungsabläufen, gibt ein Gefühl für den Zeitaufwand, und macht umsichtig, verantwortungsbewusst und schenkt Selbstvertrauen.

Am Anfang steht immer, dass du deinem Kind einzelne Handlungsschritte erklärst und zeigst. Die Handlungsfolgen müssen für dein Kind nachvollziehbar und erkennbar sein.

Überlege gemeinsam mit deinem Kind, wie eine bestimmte Aufgabe erledigt werden kann und soll.

Es gibt verschiedene Wege das zu erreichen. Du kannst deinem Kind den Weg erklären, du kannst den Weg zeigen, du kannst dir vom Kind den Weg erklären lassen oder ihr könnt den Weg das erste Mal miteinander gemeinsam gehen.

Ab dann geht dein Kind den Weg alleine. Denn nur dann gehört ihm auch der Erfolg allein!

Am besten eigenen sich Alltagstätigkeiten zum Üben der Selbstständigkeit der Kinder

Beziehe dein Kind in den Haushalt ein!

Lass es kochen, backen, den Tisch decken, einkaufen gehen, Rasen mähen, Blumen pflegen oder Haustiere versorgen.

Übernahme von Verantwortung

Besprich mit deinem Kind welche Pflichten und Aufgaben es zuverlässig übernehmen will, kann oder soll.

Vormachen

Zeige deinem Kind noch einmal ganz genau, wie du die Aufgabe erledigt. Erkläre dabei worauf es ankommt, wo besonderen Aufmerksamkeit erforderlich ist und worauf du besonders Wert legst.

Arbeitsweise festlegen

Lass dir von deinem Kind erklären, wie es die Aufgabe ganz konkret anpacken will, welches Arbeitsgerät es braucht und wann es die Aufgabe einplant.

Macht einen Plan

Auf dem Plan wird festgehalten wer was wann erledigt. Dabei ist es wichtig, dass auch beide Elternteile Aufgaben übernehmen. So wird klar, dass Verantwortung geteilt wird. Das Gefühl „immer ich“ kommt nicht so leicht auf.

Arbeitsschritte planen

Entwickelt gemeinsam Checklisten oder Arbeitsschrittkarten. Diese Listen oder Karten könnt ihr gut sichtbar aufhängen. So kann sie dein Kind der Reihe nach abarbeiten.

Training

Durch diese Schritt-für-Schritt-Anleitungen wird dein Kind Abläufe einüben. Fertigkeiten, die es bei einer Tätigkeit geübt hat können oft auf andere Tätigkeiten übertragen werden.

Rückschau

Haltet regelmäßig Rückschau und überlegt was gut geklappt hat und wo es noch nicht so gut klappt, oder wo es immer wieder zu Konflikten kommt. Welche Aufgaben werden vergessen? Welche Arbeitsschritte klappen noch nicht?

Feed-back-Schleife

Überlege gemeinsam mit deinem Kind, welche Schritte notwendig sind, damit es in Zukunft noch besser klappt. Dieses „noch“ ist ganz wichtig. Mit ihm signalisierst du deinem Kind, dass ihr auf dem richtigen Weg seid.

Anpassung

Eventuell müsst ihre jetzt die Checklisten oder Arbeitsschrittkarten anpassen, damit die neuen Punkte berücksichtigt werden.

Klingt nach viel Arbeit?

Ja, das ist es. Aber diese Vorgangsweise lohnt sich. Dein Kind wird Schritt für Schritt selbständiger. Mit jeder erfolgreich bewältigten Aufgabe gewinnt es an Selbstvertrauen. Dadurch wird es für neue Aufgaben motiviert.

Kein Vorteil ohne Nachteil – Kein Nachteil ohne Vorteil

(Zitat meiner Oma)

So sagte meine Oma immer. Dieser weise Satz lässt sich auf fast alle Situationen im Leben anwenden.

Er trifft auch auf selbständige Kinder zu. Denn ein Kind auf dem Weg zum selbstständigen Handeln zu begleiten ist zeitaufwändig und manchmal auch anstrengend. Die strahlenden Augen, wenn dein Kind aber an Selbstbewusstsein gewinnt und merkt, dass es selbstwirksam handeln kann, sind eine der wundervollsten Erfahrungen beim Eltern sein.

Bleib gesund und gelassen!

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