Sprich mit mir! praktische AnwendungNachdem ich dir im letzten Artikel über allgemeine Kommunikationsgrundsätze erzählt habe, möchte ich heute einige praktische Beispiele bringen.

Sprich mit mir! – Grundsätze anwenden

Sag, was du willst

Drück dich klar und möglichst einfach aus. So vermeidest du Missverständnisse.
Nur, wenn du klar sagst, was du willst, wirst du es auch bekommen.
Vermeide Konjunktive und rethorische Fragen. Diesen Fehler beobachte ich oft bei Eltern.

Könntest du bitte den Mistkübel hinaustragen?“
Willst du dir nicht die Schuhe anziehen und mit mir einkaufen gehen?“

Das sind Entscheidungsfragen. Hier muss ich mich nicht wundern, wenn Kleinkinder oder Pubertierende mit „Nein!“, antworten.
Was mache ich jetzt als Mutter mit dieser Antwort? Da ich mich selbst unklar ausgedrückt habe, muss ich sie akzeptieren und für das
nächste Mal lernen, klare Anweisungen oder Bitten zu äußern.

Also:
„Trag bitte den Mistkübel hinaus!“
„Komm zieh dir deine Schuhe an, wir gehen jetzt einkaufen.“ Punkt.

Klar, diese Formulierungen verwenden wir, weil wir höflich sein wollen.
Aber unser Gegenüber kann auch mit einer klaren Anweisung leben.
Kleinen Kindern geben sie sogar Sicherheit.

Bleib freundlich

Es gibt Situationen, da versteht uns unser Gegenüber nicht. Es scheint begriffstutzig oder stellt sich quer.
Bleib freundlich uns sachlich.  Auch wenn du schon das dritte Mal sprichst.

Wenn Kinder besonders vertieft spielen, dann vergessen sie die Welt um sich herum. Sie hören wirklich nichts.
Sie blenden alles andere aus. Oder sie hören kurz, was du sagst, versinken dann aber wieder in ihrem Spiel.

In diesem Fall hilft es, wenn du dich auf die Augenhöhe des Kindes begibst und seine Aufmerksamkeit suchst.
Wenn es am Boden spielt, hocke dich einfach dazu, berühre es sanft am Arm, suche Blickkontakt und wiederhole deine Aufforderung.
Handelt es sich um eine kurze, dringende Tätigkeit, dann füge dazu, dass sie jetzt gleich erledigt werden soll.

Aber auch bei Erwachsenen kommt es immer wieder zu solchen Situationen. Ich kenne das von mir, wenn ich sehr vertieft arbeite oder gerade intensiv mit einer Idee beschäftigt bin. Wenn mich dann jemand anspricht, dann muss ich erst umdenken. Ich brauche Zeit, um mich aus meiner Gedankenwelt herauszubewegen und mich in die Gedankenwelt meines Gegenübers einzufühlen.
Vielleicht kennst du ja auch solche Situationen von dir selbst.

Nimm den Gesprächspartner ernst

Nimm deine Gesprächspartner ernst. Auch dann, wenn sie emotional reagieren. Nimm sie ernst in ihren Gefühlen.

Der Punkt gilt wieder ganz besonders für Kinder. Versuche nicht mit Tricks zu arbeiten und sie zu „überrumpeln“.
Kinder haben eine Naturbegabung. Sie merken, wenn du versuchst eine Situation zu überspielen.

Dieser Grundsatz ist auch in der Einwandbehandlung mit Kunden wichtig. Nimm sie in ihren Gefühlen und mit ihrer Wahrnehmung ernst.
Hör ihnen zu und versuche herauszufinden, wo die Ursache des Problems liegt. Das gibt dir die Gelegenheit Informationen zu sammeln. Dem Kunden zeigt es, dass du ihn erst nimmst und versuchst, herauszufinden, wo der Schuh drückt 🙂 Gleichzeitig verschafft dir das intensive Nachfragen Zeit. In dieser Zeit gibst du auch hitzigen Gemütern die Gelegenheit ihren ersten Frust loszuwerden. – Und dann ist es bis zu einer Lösung oft nicht mehr weit.

Mute deinem Gegenüber die Wahrheit zu

Das gilt jetzt wieder ganz besonders für Kinder. Kinder fühlen genau, wenn etwas komisch ist. Sie beobachten uns Erwachsene genau und kennen uns ziemlich gut.
Sie sind hochintelligente Wesen und durchaus in der Lage auch mit schlimmen Nachrichten fertig zu werden,
wenn sie ihnen kindgerecht erklärt werden.

Ich erinnere mich an eine Geschichte im Bekanntenkreis. Der Großvater eines kleinen Mädchens, nennen wir sie Melanie, war an Krebs erkrankt. Melanie war zu diesem Zeitpunkt 5 Jahre alt. Lange diskutierte die Familie, ob Melanie die Wahrheit erfahren solle, oder nicht. Alle waren dagegen.
Die Mutter aber hatte das Gefühl, dass das Kind Bescheid wissen sollte. Sie setzte sich eines Nachmittags mit ihrer Tochter hin  und erklärte ihr die Situation:
„Melanie, ich möchte mit dir etwas besprechen. Es geht um Opa. Er ist sehr krank und er wird in nächster Zeit ganz oft im Krankenhaus sein.“
Die erste Frage der Kleinen, mit Tränen in den Augen, war: „Hat er Krebs?“
„Ja, aber woher weißt du das? Ich wusste gar nicht, dass du diese Krankheit kennst.“
„Ich bin so froh, dass du es mir erzählt hast, Mama. Denn jetzt kann ich endlich fragen, was dieser Krebs eigentlich ist und ich kann endlich weinen.
Ich weiß nur, es ist eine schwere Krankheit und man kann daran sterben. Das hat mir die Cosima im Kindergarten erzählt.“

Meine Bekannte war sehr erstaunt und froh, ihrem Kind die Wahrheit zugemutet zu haben. Sie hatte dadurch die Gelegenheit Melanie alles zu erklären, sie auch bis zu einem gewissen Maß zu beruhigen. Sie konnte ihr über die Heilungsmöglichkeiten erzählen und Melanie hatte die Chance ihren Tränen freien Lauf zu lassen und sich von ihrer Mutter in den Armen wiegen zu lassen.

Auch Erwachsenen kannst du in schwierigen Gesprächen auf eine freundliche und höfliche Art die Wahrheit zumuten.
Stell dir zum Beispiel folgenden Fall vor: Du hast eine Bürokollegin, die sehr nett und kompetent ist. Sie ist ein richtiges Arbeitsbienchen. Leider hat sie eine eher legere Art sich zu kleiden. Dadurch wird sie von manchen Kunden nicht ganz ernst genommen.
Ich weiß, das ist ein schwieriger Fall. Wie sagst du das, ohne die Bürokollegin zu verletzen? Geht es dich überhaupt etwas an?
Auf der anderen Seite, verbaut sie sich durch diese kleine Nachlässigkeit vielleicht ihre Karriere?
In diesem Fall kannst du einfach deine Beobachtung mitteilen. Etwas so: „Ich habe die Beobachtung gemacht, dass du dich gerne leger kleidest. Ich verstehe, dass du es gerne bequem hast. Ich weiß, dass der Kunde XY sehr viel Wert auf ein bestimmtes Auftreten legt. Wenn du mit dem Kunden XY zu tun hast, dann tust du dir leichter, wenn du im Kostüm kommst.“
Diese Information kann die Kollegin jetzt annehmen, oder auch nicht 🙂

Bring dem Gesprächspartner Achtung und Wertschätzung entgegen

Bleiben wir gleich bei Melanie. Ihre Mutter nahm sie ernst und brachte ihr Achtung entgegen, indem sie ihr die Wahrheit zumutete. Sie ermöglichte ihr dadurch ihre Gefühle mitzuteilen. Melanie hatte dadurch den Beistand, den sie so bitter benötigte. Sie konnte endlich weinen. Sie wurde durch das Gespräch auch in ihren Gefühlen ernst genommen und musste mit der Situation nicht alleine fertig werden.

Sei geduldig

Sei dir bewusst, dass jeder einen anderen Erfahrungshintergrund hat. Dinge, die für dich selbstverständlich sind, sind dem Gesprächspartner vielleicht noch neu. Möglicherweise beherrscht er dein Fachvokabular nicht, oder er nimmt Fakten anders auf, als du. Sei also geduldig.

 

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