lügen
März 3, 2022

Wenn Kleinkinder nicht die Wahrheit sagen, dann taucht schnell die Frage auf: Lügen oder Schwindeln – was ist das jetzt?

Kindermund tut Wahrheit kund!              

Sprichwort

So besagt ein altes Sprichwort und so manche Mama ist durch ihr Kleinkind schon in unangenehme Situationen gebracht worden, weil das Kind einen Sachverhalt hinausposaunt.

Junge Kinder bis zum Alter von 3 Jahren können gar nicht lügen. Sie sind geistig noch gar nicht dazu in der Lage. Sie gehen davon aus, dass alles, was sie selbst wahrnehmen und wissen, die Wirklichkeit ist. Somit können sie noch gar keine Lügen-Konstrukte schaffen.

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Lügen oder Schwindeln

Worum handelt es sich also wenn dein Kleinkind eine Unwahrheit sagt, eine Geschichte erfindet oder Dichtung mit Wahrheit vermischt?

Die Theorie of Mind (TOM)

Erst im Alter von ca. 4 Jahren beginnen Kinder zu begreifen, dass das, was sie selbst wissen, nicht allen zugänglich ist.

Dies wird bei folgendem Experiment deutlich. Ein Ding wird in eine Box A gegeben. Eine Versuchsperson wird aus dem Raum geschickt und die Versuchsleiterin gibt den Gegenstand im Beisein des Kindes in die Box B. Anschließend wird das Kind gefragt, wo die Versuchsperson als erstes suchen wird, wenn sie wieder ins Zimmer kommt. Erst Kinder ab ca. 4 Jahren erkennen, dass die Person in der Box A suchen wird, weil sie ja nicht gesehen hat, wie der Gegenstand in die Box B gewandert ist.

Das zu durchschauen erfordert strategisches Denken.

Warum lügen also Kleinkinder im Alter von 3 – 6 Jahren?

Schwindeln

In den meisten Fällen lügen die Kinder nicht. Sie schwindeln. Sie probieren das neu entdeckte Wissen aus. Die anderen wissen nicht alles, was sie wissen. Das ist spannend. Dein Kind kann also Geschwister oder auch Mama und Papa an der Nase herumführen.

Die Kinder empfinden das in diesem Alter als Spiel. Es fehlt ihnen das Unrechtsbewusstsein.

In diesem Alter zeigen derartige Geschichten, dass dein Kind kreativ denken kann und zu strategischer Planung fähig ist. Es muss sich selbst beherrschen können und die nötige Konzentration aufbringen, um sich die Geschichte auszudenken. Es beweist also den Einfallsreichtum deines Kindes.

Schmunzle in dich hinein und freue dich über die Fähigkeiten deines Kindes. Mach es zwischendurch aber immer wieder darauf aufmerksam, dass es wichtig ist, die Wahrheit zu sagen.

Zeitliche Konfusion

Kinder im Kleinkindalter besitzen zwar eine gute Merkfähigkeit und sie verstehen Zusammenhänge. Manchmal passiert es aber, dass sie zeitliche Abfolgen durcheinanderbringen. Dann kann es sein, dass sie Geschichten erzählen, die du so nicht kennst. Das ist dann keine Lüge. Dein Kind ist fest überzeugt, dass sich die Situation wirklich so zugetragen hat.

Meine Mama hat z. B. ein Kind verloren, als ich ca. 3 Jahre alt war. Ich durfte sie im Krankenhaus besuchen. Als wir meine Mama vom Krankenhaus abholten, hatten wir einen Auffahrunfall. In meiner Erinnerung war es lange so abgespeichert, dass der Unfall vor dem Krankenhausaufenthalt meiner Mutter war. Es entsprach einfach meiner kindlichen Logik, dass man erst nach einem Unfall ins Krankenhaus muss. So habe ich die Geschichte dann auch erzählt und ich war lange nicht zu überzeuge, dass es umgekehrt war.

Vermischung von Fantasie und Wahrnehmung

Junge Kinder im Alter von 4 – 5 Jahren haben noch viel Einbildungskraft. Sie befinden sich mitten in der Phase des magischen Denkens. Daher kann es auch vorkommen, dass sie reale Erlebnisse mit ausgedachten Begebenheiten vermischen. Für sie ist das so. Daher ist das auch weder Lüge noch schwindeln.

Prahlen

Im Kindergarten finden oft richtiggehende Wettkämpfe statt. „Mein Papa hat einen Porsche.“ Und „Meiner hat ein Boot.“

Diese Prahlereien sind zwar geschwindelt. Aber sie entspringen einem Wunsch nach Anerkennung. Erste Rangordnungen werden festgelegt und kein Kind will zurückstecken.

Klar ist das nicht ok. Vor allem deshalb nicht, weil es darauf hindeutet, dass dein Kind sein Selbstwertgefühl in Frage stellt, wenn es nicht mithalten kann. Hier solltest du genau hinschauen und deinem Kind helfen ein gesundes Selbstwertgefühl aufzubauen.

Schutzbehauptung

Auch junge Kinder behaupten manchmal steif und fest „Ich war das nicht!“ wenn du sie mit dreckigen Fingern beim umgeworfenen Blumentopf erwischt.

Das kann einerseits daran liegen, dass sie sich selbst erschrocken haben.

Andererseits hat dein Kind vielleicht Angst, dass du schimpfen wirst.

Hier hilft es nur, dass du deine eigenen Reaktionen auf das Verhalten deines Kindes hinterfragst und richtig auf die Lüge reagierst.

Lügen aus Loyalität

Bereits Kindergartenkinder lügen aus Loyalität. Sie sagen z. B. Unwahrheiten, um Freunde zu schützen.

Oder aber dein Kind getrennter Eltern erklärt dem Papa, dass der neue Freund der Mama ganz unmöglich sei, obwohl es ihn sehr gerne mag. Diese Lüge erzählt es, um den leiblichen Vater zu schützen. Es ist dann Sache der Erwachsenen dem Kind zu erklären, dass seine Gefühle ok sind und die Erwachsenen mit ihren Gefühlen selbst fertig werden müssen.

Unrechtsempfinden

Erst ab ca. 6 Jahren kann dein Kind erkennen, wie sich sein eigenes Handeln auf andere auswirkt.

Es weiß jetzt: Lügen und Schwindeln ist nicht ok, aber es gibt Ausnahmen. Diese Besonderheiten solltest du aber mit deinem Kind besprechen und ihm auch erklären, warum und wann sie in Kraft treten. Denn diese Einzelfälle sind für dein Kind schwer zu durchschauen. Es beginnt seine Erfahrungen einzuordnen und moralische Vorstellungen zu begreifen.

Für junge Kinder ist es unbegreiflich, warum sie sich bei der Oma für ein ungeliebtes Geschenk bedanken sollen und nicht sagen dürfen, dass jemand dick ist oder Falten hat.

Andererseits sollen sie aber die Wahrheit sagen, wenn sie selbst etwas angestellt haben.

Erst im Alter von ca. 10 Jahren unterscheiden Kinder aktiv von einer Lüge, um zu täuschen und einer Notlüge.

Auswirkung von Lügen auf die Glaubwürdigkeit

Ab dem Alter von 5 – 6 Jahren solltest du deinem Kind auch erklären, dass Lügen und Schwindeln Auswirkung auf die Glaubwürdigkeit haben und Freundschaften zerstören können.

Zusammenfassung

Du siehst also Lügen im Alter von 3 – 6 Jahren sind meistens nicht schwerwiegend. Meistens handelt es sich um Fantasien oder Schwindeleien. Trotzdem solltest du deinem Kind erklären, dass lügen nicht ok ist. Menschen, die einander vertrauen können sich die Wahrheit erzählen.

Bleib gesund und gelassen!

Deine Mütterversteherin

Ilse Maria Lechner

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