September 30, 2021

Peergroups – ein Wort, das bei manchen Eltern Angst und Panik auslöst. Sie merken, dass die Clique für ihre Kinder immer wichtiger wird. Gleichzeitig scheinen sie selbst abgeschrieben. Dem eigenen Kind ist es auf einmal egal, was die Eltern denken. Nur mehr die Freunde sind wichtig.

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Mit diesem Gefühl kommt die Angst, dass eben diese Freunde das Kind negativ beeinflussen. Was, wenn das Kind durch die Freunde auf die schiefe Bahn gerät?

Stimmt es, dass der Einfluss der Eltern bei Pubertierenden schwindet? Und sind Peergroups wirklich eine potenzielle Gefahr für dein Kind?

Wenn dich diese Fragen beschäftigen, dann lies jetzt weiter!

Peergroups, Gruppe befreundeter Mädchen

Was sind Peergroups?

Peer kommt aus dem Englischen und bedeutet gleichgestellt.

Per Definition sind Peergroups also Gruppen von Menschen, die einander gleichgestellt sind. Besonders in der Pubertät werden Peergroups wichtig.

Jugendliche finden in Gruppen mit ähnlichen Werten, vergleichbaren sozialen Hintergründen und gemeinsamen Interessen zusammen.

Normalerweise finden sich in diesen Gruppen Jugendliche gleicher Interessen und Erfahrungshintergründe: die Nerds, die Sportler, die Gamer, die it-Girls oder eben die Ökos und die Weltverbesserer.

Allerdings kann es auch sein, dass sich Gruppen von Jugendlichen mangels Alternativen zusammenfinden. Diese Peergroups sind dann keine Interessensgemeinschaften, sondern Schicksalsgemeinschaften. Das passiert z. B. in Brennpunktbezirken.

Mit dem Auftreten der Peergroup haben viele Eltern das Gefühl bei ihren Kindern abgemeldet zu sein. Das tut weh!

Wenn es dir auch so geht, dann sei versichert: „Es fühlt sich im Moment schlimm an. Aber es ist nicht unbedingt gefährlich.“

Denn du hast hoffentlich bis zur Pubertät ein vertrauensvolles Verhältnis und eine gute Bindung zu deinem Kind aufgebaut. Das ist jetzt die Basis, auf die du dich verlassen kannst.

Wieso sind Peergroups so wichtig für Teenager?

Nun, zunächst einmal sind Peergroups eine wunderbare Unterstützung dabei, sich vom Elternhaus zu lösen.

Junge Kinder sehen ihre Freunde eher als Spielkameraden. Je älter die Kinder werden, desto mehr überdenken sie dieses Konzept. Sie beginnen ihre Gedanken und Meinungen mit den Freunden zu teilen. Damit stellen sie sich aber gleichzeitig deren Urteil.

Finden meine Freunde das cool?
Oder sehen sie mich als Loser, wenn ich so bin?

Eltern geben damit ihre Sonderstellung als erste Vertraute und Berater ihres Kindes ab.

Das ist normal und gut so!

Veränderung der Beziehungen

Nicht nur die Beziehung zu den Eltern verändert sich. Auch die Beziehung der Jugendlichen untereinander wird anders gestaltet.

Über soziale Medien sind die Jugendlichen beinahe 24/7 miteinander in Kontakt.

Dieser ununterbrochene Kontakt bietet auch Sicherheit. So wissen die Jugendlichen was passiert, was gerade angesagt ist und welches Treffen sie sich sparen können.

Covid19 und diverse Lockdowns haben diese Entwicklung noch verstärkt. Die Jugendlichen haben sich rasend schnell an die Gegebenheiten angepasst.

Mein Sohn ist Betreuer von Jungendgruppen. Er erzählte mir folgendes Phänomen: Die Jugendlichen durften sich nach beinahe einem Jahr endlich wieder real Treffen. Das Treffen fand in einem großen Raum mit Sicherheitsabständen statt. Anstatt sich zu unterhalten haben die Jugendlichen getextet, WhatsApp und Filmchen hin und her geschickt. Erst nach einer Gruppenintervention durch die Gruppenbetreuer fanden die Jugendlichen ins Gespräch.

Bedeutung von Peergroups

Peergroups, also die Gruppe der Gleichaltrigen geben Orientierung, Unterstützung und stoßen auch Entwicklungsprozesse an. Ängste und Unsicherheiten der Gruppenangehörigen ähneln sich. Im Alltag stößt die ganze Gruppe auf gemeinsame Probleme. Alle sind von den gleichen Lehrern genervt, haben Probleme mit dem Schularbeitsstoff, ärgern sich über die Eltern usw.

Dadurch gibt die Peergroup auch das Netz, das es den Kindern erlaubt sich ohne Gefährdung von den Eltern zu lösen. Denn die Freunde geben Sicherheit, sie sind der vertraute Rückzugsort.

Im Gegensatz zu den Eltern kann man mit ihnen auch gut ablästern. Sie kennen die Lehrer und Lehrerinnen. Wahrscheinlich nerven sie dieselben Personen. Ja sogar über die eigenen Eltern kann man mal Dampf ablassen. Gerade in der Pubertät soll ja nicht in allen Familien alles Wonne Waschtrog sein.

Sich anderen Meinungen stellen

In den Peergroups geht es aber auch darum zu erfahren, wer die anderen sind, wie sie ticken und was sie denken. Im besten Fall wird auch über Werte und Ansichten diskutiert.

Innerhalb der Gruppe lernen die Teenager ihre Meinung zu sagen und auch dazu zu stehen. Das geht nicht von einem Moment auf den anderen, sondern ist ein Prozess. Aber sie lernen auch die Meinungen anderer zu überdenken und auch mal stehen zu lassen. Sie erkennen, dass ihre Sicht der Dinge nicht die einzige ist.

All das passiert nicht über Nacht, sondern ist ein Prozess.

Die eigene Persönlichkeit entwickeln

Jugendliche probieren sich in diesen Gruppen auch aus, um sich selbst zu finden. Nicht selten kommt es in dieser Phase vor, dass dein Kind eine Woche bis zu einem Monat vegan lebt, um dann festzustellen: „Ich hab das ausprobiert und nicht für gut befunden.“

Jugendliche sind auf der Suche nach ihrer Identität und die Peergroups sind eine ideale Spielwiese, um verschiedene Lebensentwürfe auszuprobieren.

Die Jugendlichen haben in der Peergroup ein Feld, wo sie sich ausprobieren können.

Welches Bild haben andere von mir und welches Bild sollten sie von mir haben?

Die Annäherung an potenzielle Partner

Innerhalb der Peergroup entstehen oft auch erste Beziehungen und Schwärmereien. Jugendliche nähern sich dem eigenen oder anderen Geschlecht an. Sie finden heraus, was sie anzieht und was sie abstößt.

Bei wem kribbelt es im Bauch? Wo baut sich erotische Spannung auf?

Es ist ein Feld des „sich Ausprobierens“. Im Austausch mit anderen finden die Jugendlichen gemeinsam heraus, was Weiblichkeit oder Männlichkeit ausmacht. Sie stehen nicht nur in enger Beziehung mit ihren Altersgenossen, sondern sie vergleichen sich auch ständig mit ihnen. Sie kontrollieren ununterbrochen, wie sie auf andere wirken. Sie finden Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus.

Diese Vorgänge passieren häufig vollkommen unbewusst und automatisch.

So wird ihnen immer klarer, wer und wie sie sein möchten.

Die Peergroup als Übungsfeld

Sie üben aber auch, wie sie in der Welt der Erwachsenen zurechtkommen.

Sie diskutieren, kooperieren, finden Lösungen, schließen Kompromisse. Die einzelnen Gruppenmitglieder lernen Kritik zu ertragen und anzunehmen. All diese Kompetenzen sind später im Leben und in der Arbeitswelt wichtig.

Freunde und Schulkameraden erziehen sich also gegenseitig.

Die Sorgen der Eltern

Nimmt der eigene Einfluss wirklich ab?

Der Einfluss der Eltern nimmt ab und verändert sich. Du kannst aber darauf vertrauen, dass das Fundament, das du bis jetzt gelegt hast, tragfähig ist.

Deine Rolle ändert sich einfach ein wenig. Du bist jetzt nicht mehr die zentrale Bezugsperson deines Kindes. Im besten Fall wirst du eine beratende Vertrauensperson, deren Meinung gehört wird. Sei aber darauf gefasst, dass dein Kind seinen eigenen Kopf hat und auch einmal anders entscheidest, wie du das wünscht. Je ruhiger du das mittragen kannst, desto besser.

Hat die Peergroup einen schlechten Einfluss?

Natürlich kann es sein, dass Jugendliche in Gruppen auf doofe Ideen kommen. Allerdings ist das auch ein ideales Übungsfeld, um Nein-Sagen zu lernen und sich zu trauen zur eigenen Meinung zu stehen. Je gefestigter die Persönlichkeit deines Kindes, je stabiler sein Selbstvertrauen ist, desto eher wird es sich auch einmal gegen die Gruppe stellen, wenn das eigene Wertesystem verletzt wird.

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Einschreiten oder nicht?

Im Allgemeinen sind Peergroups eher unterstützend als schädlich. Klar werden mal Dummheiten gemacht. Aber diese Erfahrungen gehören zum Erwachsen werden dazu. Solange die Kinder trotzdem verantwortungsvoll handeln, kannst du da auch ruhigen Gewissens abwarten.

Herbert Renz-Polster hat bei einem Workshop einmal eine Situation aus seiner Familie beschrieben:

Die Kinder machten Party und der Alkohol floss reichlich. Allerdings hatten die Jugendlichen auch ein großes Glas mit Kondomen aufgestellt, damit niemand ungeschützten Geschlechtsverkehr hat.

„Und am nächsten Tag haben wir dann die Köpfe gehalten und die Rücken gestreichelt, als sich die Jugendlichen übergeben haben. Als sie wieder nüchtern waren hatten wir ein ernstes Gespräch über Alkoholkonsum.“

Diese Jugendlichen haben einmal über die Stränge geschlagen und dennoch verantwortungsvoll gehandelt.

Klar wirst du als Mama oder Papa nicht unbedingt mit dem Verhalten einverstanden sein. Aber diese Dinge könnt ihr erst besprechen, wenn alle wieder ruhig und nüchtern sind.

Es gibt allerdings Situationen, wo Eltern zum Wohle ihrer Kinder einschreiten müssen. Dann z. B. wenn oft übermäßig Alkohol konsumiert wird, wenn Drogen im Spiel sind, oder wenn die Jugendlichen gefährliche Ideen aus TicToc übernehmen.

Gefahr geht vor allem dann von einer Clique aus, wenn Jugendliche den Ansprüchen nicht genügen können oder wollen. Wenn sie sich z. B. die angesagtesten Klamotten nicht leisten können oder noch keine sexuellen Erfahrungen haben oder eben nicht eben mal einen Joint probieren wollen.

Der Druck innerhalb der Gruppe kann groß werden und jeder 10. Jugendliche kennt das Gefühl ausgeschlossen, schikaniert oder gemobbt zu werden.

Wenn dein Kind dann nicht in sich gefestigt ist, kann es sein, dass es dem Druck der Gruppe nachgibt, um dazuzugehören.

Das geht so weit, dass Jugendliche sogar mit dem Gesetz in Konflikt kommen, um die Erwartungen der Gruppe zu erfüllen: also z. B. stehlen, um die neueste Jeans zu besitzen. Das machen sie selbst wenn sie wissen, dass sie sich unvernünftig und rechtswidrig verhalten.

Wie reagierst du im Gefahrenfall?

Am besten ist wie immer Vorbeugung. Du kannst lange vor der Pubertät darauf achten, das Selbstwertgefühl deines Kindes zu stärken, ihm deine Werte zu vermitteln und Vorbild zu sein.

Es ist erwiesen, dass Kinder von Eltern, die rauchen und trinken in der Pubertät unbedachter mit diesen Suchtmitteln umgehen.

Kinder beobachten ihre Eltern genau. Bereits im Alter von 6 bis zehn Jahren entwickeln sie ein Gespür dafür, welcher Umgang mit Suchtmitteln wie Zigaretten, Alkohol aber auch Kaffee im Elternhaus als maßvoll und tolerierbar erachtet wird.

Das gilt aber auch für Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft, Konfliktfähigkeit, Toleranz. Was vorgelebt wird machen Kinder später auch.

Wenn du merkst, dass sich dein Kind verändert, dann zeige ehrliches Interesse, ohne dein Kind permanent auszufragen. Das kann manchmal eine Gratwanderung sein. Wenn eure Beziehung gefestigt ist, dann wird sich dein Kind deine Sorgen und Bedenken anhören und sie auch überdenken. Selbst wenn es nicht so wirkt.

Vermeide Vorhaltungen und bleibe ehrlich und authentisch. Wenn du auf eigene Erfahrungen zurückgreifen kannst, dann kannst du diese Geschichten erzählen. Vielleicht ergibt sich daraus sogar eine Möglichkeit, deinem Kind Gefahren und Konsequenzen näher zu bringen und dennoch sein Gesicht zu wahren.

Hab keine Scheu unbequeme und ernste Fragen zu stellen. Hör deinem Kind genau zu und nimm es ernst. Du signalisierst damit dein Interesse.

Vielleicht kannst du mit gezielten Fragen das Denken deines Kindes in die gewünschte Richtung lenken und ihm die Möglichkeit geben, selbst Auswege und Lösungen zu finden. Du solltest das aber keinesfalls in der Absicht tun, dein Kind zu manipulieren. Das merkt dein Kind nämlich.

Grenzgängertum Pubertät

Die Pubertät ist eine Art Grenzgängertum – für Eltern und Kinder.

Kinder müssen sich ausprobieren und eigene Entscheidungen treffen.

Eltern lernen die Waage zwischen Kontrolle und Vertrauen zu halten. Sie lernen zu entscheiden, wann Festhalten und wann Loslassen gefragt ist. Eltern lernen interessierte Fragen zu stellen, ohne auszufragen. Darauf regieren Jugendliche nämlich empfindlich und sie ziehen sich zurück.

Genau das konfrontiert die Eltern mit ihren eigenen Gefühlen. Sie merken, dass sich das eigene Kind löst. Pubertät des Kindes ist also auch ein Trauer- und Abschiedsprozess für Eltern, der nicht zu unterschätzen ist.

Zu strenge Kontrolle und zu viel Bestimmung ist kontraproduktiv. Wenn Jugendliche das Gefühl haben, dass die Eltern über sie bestimmen, dann werden sie in die Rebellion gedrängt.

Du siehst die Pubertät ist eine spannende Zeit, in der dein Kind in der passenden Peergroup Unterstützung findet. Daher Ruhe bewahren. Freue dich mit deinem Kind, dass es Freunde hat.

Wenn du echtes Interesse an der Peergroup zeigst, dann kann es sein, dass du sehr positiv überrascht wirst.

Bleib gesund und gelassen,

Deine Mütterversteherin

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