Pubertierende – Sind die so müde, oder tun die nur so?

Das ist eine Frage, die mir in meinen Vorträgen über das Thema Pubertät immer wieder gestellt wurde.

Oft denken sich Eltern: „Ist ja klar, dass die morgens nicht aus dem Bett finden, wenn Pubertierende die Nacht zu Tag machen.“
In diesem Gedanken schwingt mit, dass Pubertierende das absichtlich tun, um ihr Umfeld zu provozieren oder zu verärgern. Aber ist das wirklich so?

Wenn Pubertierende die Nacht zum Tag machen, Sind die so müde, oder tun die nur so, Mädchen schläft am Schultisch ein

Der Schlafmangel beginnt mit 11 Jahren

Es kommt dir nicht nur bei deinem Kind so vor. Die meisten Kinder haben ab dem 11. Lebensjahr einen chronischen Schlafmangel. Studien zufolge kommen die wenigsten unter ihnen auf die 8 – 9 Stunden Schlaf, die ihr Körper eigentlich bräuchte.

Die meisten Teenager kommen auf wesentlich weniger Schlaf. Das führt langfristig zu Lernschwächen, Leistungsabfall und auch Krankheitsanfälligkeit.

Warum also schlafen die Teenager nicht einfach mehr?

„Sollen sie doch früher ins Bett gehen!“, meinen viele gequälte Eltern. Doch so einfach ist das nicht.

Der Schlaf-Wach-Rhythmus stellt sich um

Mit der Pubertät verändert sich der Körper. Zu den hormonellen Veränderungen gehört auch, dass das Hormon Melatonin, das für das Müdigkeitsgefühl zuständig ist, wird in der Pubertät später ausgeschüttet. Und das bis zu zwei Stunden. Das ist durch verschiede Studien bestätigt. (s. Rush University Medical Center in Chicago oder auch National Institute of Mental Health – NIMH, Bethesda, Maryland). Wenn Pubertierende die Nacht zum Tag machen können sie also nichts dafür. Es liegt in der Natur der Dinge.

Das heißt, die Jugendlichen werden später müde.

Langfristig bauen Jugendliche daher ein Schlafdefizit auf, weil sie immer später zu Bett gehen, aber ausbildungsbedingt immer um die gleiche Zeit aufstehen. Die Schlafstunden reduzieren sich auf diese Art unter der Woche um durchschnittlich insgesamt zwei bis drei Stunden.

Pro Woche 2 – 3 Stunden zu wenig Schlaf

Dieses Defizit versuchen viele Jugendliche am Wochenende aufzuholen und verschlafen dann einen Tag.
Das führt aber bei vielen Eltern zu Frust, weil Wochenend-Ausflüge und gemeinsame Unternehmungen nicht mehr so leicht möglich sind.

Bildschirmzeiten tragen auch dazu bei

Durch die an sie gestellten Aufgaben und auch durch ihr Freizeitverhalten, schieben sie das Einschlafen noch länger hinaus. Denn das von den Bildschirmen abgestrahlte kurzwellige, blaue Licht (HEV – High energy visible) wird zusätzlich dafür verantwortlich gemacht, den Schlaf-Wach-Rhythmus zu verschieben.
Die Pubertierenden schlafen dann zwar aufgrund ihrer Müdigkeit rasch ein. Aber das Melatonin kann in den verbleibenden Schlafstunden nicht richtig abgebaut werden. Das führt zu chronischer Müdigkeit, die dann langfristig oft mit Durchschlafstörungen einhergeht.

Bildschirmzeiten verbieten ist keine Lösung

Es wäre aber zu kurz gegriffen, den Jugendlichen die Bildschirmzeiten zu verbieten. Schließlich brauchen sie für viele ihrer Aufgaben den PC, bleiben mit Freunden und Peergroups über Handy in Kontakt und spielen zur Entspannung PC oder Konsolen-Spiele. Also wieder Bildschirmzeit.

Es gibt spezielle Apps, mit denen man Bildschirme so einstellen kann, dass das Farbspektrum verändert wird. Abends wird das Licht dann weicher und geht in Richtung gelb-orange. Viele PCs haben diese Möglichkeit schon standardmäßig eingerichtet. Man muss sie nur nützen.

Vorbild sein ist anstrengend

Die Aufgaben von Eltern ist es, Jugendliche zu unterstützen einen Verantwortungsvollen Umgang mit den Medien zu lernen. Dazu müssen wir uns als Eltern aber erst einmal selbst an der Nase nehmen. Denn Vorbild sein ist anstrengend.

  • Wie viele Stunden pro Tag verbringst du in Twitter oder auf Facebook?
  • Kannst du selbst dein Handy bei Tisch weglegen, oder musst du es ständig im Blick haben?
  • Lässt du Handy und Telefon bei wichtigen Gesprächen auch mal läuten, oder spürst du den Drang sofort ranzugehen?
  • Checkst du auch im Urlaub 3 Mal täglich deine E-Mails oder kannst du dich darauf beschränken wichtige Nachrichten abzurufen?

Schulzeiten umstellen

Genau aus diesem Grund wird regelmäßig der Ruf nach späteren Schulbeginn Zeiten laut. Leider konnte sich die Politik dazu noch nicht durchringen. Bis es so weit ist, müssen also Jugendliche und Eltern einen anderen Weg finden, mit dieser Herausforderung umzugehen.

Wochenende ist Ausschlafzeit

Der gangbare Weg ist für die meisten am Wochenende auszuschlafen. Doch die Sache hat einen Haken: Die Jugendlichen wollen sich Freitag und Samstag mit den Freunden treffen. So wird der Sonntag zum Ausschlafen genutzt. Wer aber den Sonntag verschläft, hat abends wieder Schwierigkeiten beim Einschlafen. Somit beginnt die neue Woche schon wieder mit Müdigkeit.

Wissen führt zu Verständnis

Ich habe die Beobachtung gemacht, dass die meisten Eltern verständnisvoll reagieren können, sobald sie die Zusammenhänge kennen. Sie empfinden die Müdigkeit ihrer Kinder und den damit einhergehenden Grant nicht mehr als Affront. Im Gegenteil, sie können den Jugendlichen verständnisvoll begegnen. Das entschärft die Thematik in der Familie enorm.

Wie kannst du dein Kind unterstützen?

Zeige Verständnis für das Schlafbedürfnis und das geänderte Schlafverhalten
Zeige deinem Kind, dass du es verstehst und erkläre ihm auch die Zusammenhänge. Denn oft ist es so, dass sich die Jugendlichen selbst komisch vorkommen, weil sie immer so müde sind. Geht diese Müdigkeit mit einem Leistungsabfall einher, sind sie manchmal selbst beunruhigt.

Mach Lösungsangebote – übe aber keinen Zwang aus

Mach immer wieder Lösungsangebote. Jetzt wo ihr beide um die Zusammenhänge wisst, könnt ihr auch miteinander nach Lösungen suchen.

Schlafrituale

Auch Jugendlichen reagieren gut auf Schlafrituale; sofern sie nicht kindisch wirken und sie selbst bestimmen dürfen wie diese aussehen.

So ein Einschlafritual könnte z. B. sein abends ca. eine Stunde vor dem Einschlafen das Handy wegzulegen und Musik zu hören.

Mädchen nützen diese Zeit auch ganz gerne um Tagebuch zu schreiben. Dieses Tagebuch ist allerdings dann für alle anderen Familienmitglieder tabu und absoluter Privatbereich. Es kann helfen, sich Frust, Ärger und Unsicherheiten von der Seele zu schreiben.

So eigenartig es klingt, manchen Menschen hilft eine kalte Dusche beim Einschlafen. Denn wer sich nach einer kalten Dusche ins warme Bett kuschelt, der gleitet sanft in den Schlaf. Vor allem Jungs probieren diese Methode ganz gerne aus. Denn es ist keine Methode für „Weicheiner“.

Mein jüngerer Sohn und seine Freundin gehen vor dem Schlafen gehen gerne nachts noch eine Runde spazieren. Auch das hat einen entspannenden Effekt. Außerdem wird der Körper mit Sauerstoff versorgt und die nächtliche Umgebung führt dazu, dass das Reizniveau gesenkt wird.

So aufmüpfig sie manchmal wirken – So sehr brauchen sie auch die elterliche Ankerfunktion

Jugendliche wirken manchmal aufmüpfig und selbstbezogen. Trotzdem fühlen sie sich von den Veränderungen massiv verunsichert. Da tut es gut, wenn die Eltern ihre Ankerfunktion erfüllen können und sich nicht in die Launen und Ereignisse hineinziehen lassen.

Bleib gesund und gelassen!
Deine Mütterversteherin

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