Junge Kinder lieben Geheimnisse. Sie mögen Geheimbotschaften, Geheimsprachen und geheime Plätze.
Auch ältere Kinder haben ihre Geheimnisse: Sie führen Tagebuch, hüten die Geheimnisse von Freunden und vor allem entdecken sie ihre Privatsphäre.

Stellst du dir jetzt die Frage, wie viel Geheimnis gut für dein Kind ist? Hier bekommst du Antworten!

Geheimnisse und Privatsphäre bei Kindern,
blondes Mädchen sagt einem anderen Mädchen etwas ins Ohr

Geheimnisse und Privatsphäre bei Kindern

Was ist ein Geheimnis?

Per Definition ist ein Geheimnis eine sensible Information, die jemand für sich behalten möchte. Oder er will diese Information nur einer bestimmten Personengruppe zugänglich machen.

Wenn diese Geheimnisse ihr Kind betreffen, werden viele Eltern unsicher.

Gute und schlechte Geheimnisse

Gute Geheimnisse

Gute Geheimnisse braucht jeder. Denn diese Geheimnisse sind eine Art inneres Eigentum, das nur der betreffenden Person selbst zugänglich ist.

Geheimnisse sind eine Art inneres Eigentum, das nur der betreffenden Person selbst zugänglich ist.

Diese Geheimnisse sind ein wichtiger Schritt zur Autonomie deines Kindes. Sie stärken seine Identität. Durch ein spezielles Wissen grenzt es sich von anderen ab.

Schlechte Geheimnisse

Es gibt verschiedene Grade schlechter Geheimnisse. All diese schlechten Geheimnisse haben gemeinsam, dass sie Angst, Schuldgefühle und/oder Scham auslösen.

Du solltest deinem Kind frühzeitig beibringen, dass es nicht zu einem Geheimnis gezwungen werden darf.

Schlechte Geheimnisse dürfen immer offengelegt werden.

Bedrückende Geheimnisse

Ein bedrückendes Geheimnis wäre z. B.: dein Kind hat eine Vase zerbrochen und möchte es dir nicht sagen.

Geheimnisse die die Loyalität gefährden

Es gibt auch schlechte Geheimnisse, die mit anderen verbunden sind. Das wäre der Fall, wenn dein Kind ein Geschwister oder ein befreundetes Kind dabei beobachtet hätte, wie es aus der Geldbörse der Mama Geld entnimmt. Diese Geheimnisse stürzen in einen Loyalitätskonflikt. Soll dein Kind das andere Kind verraten und gegenüber den Erwachsenen zusammenhalten. Oder erleichtert es sein Gewissen und gilt dann vielleicht sogar als Petze.

Mobbing und Missbrauch

Die höchste Stufe schlechter Geheimnisse wäre Mobbing und Missbrauch. Hier ist das Geheimnis mit Angst und Scham verbunden. Meistens ist das Kind auch noch Druck ausgesetzt und wird mit Konsequenzen bedroht, falls es das Geheimnis verrät.

Was verstehen Kinder unter einem Geheimnis?

Was Kinder unter einem Geheimnis verstehen, hängt sehr stark vom Alter ab. Erst ab dem Alter von 5 – 6 Jahren kann man von echten Geheimnissen sprechen. Vorher ist das Geheimnis immer auch etwas Magisches. Es ist bedeutungsvoll und wichtig. In einer Studie der University of California in Santa Barbara wurden Kinder nach Geheimnissen befragt. Sie wurden auch befragt, wem sie diese Geheimnisse anvertrauen würden.

Entwicklung von Geheimnissen nach Alter

Ab circa 3 Jahre

Kinder ab drei Jahren beginnen zu verstehen, dass ihre Gedanken und Wahrnehmungen sich von denen anderer Personen zu unterscheiden. Dieses Verständnis, dass es im eigenen Kopf anders aussieht als in einem fremden wird auch die Theory of Mind (TOM) bezeichnet. Kinder merken also, dass eine andere Person nicht unbedingt dasselbe weiß, wie sie. Sie können ihr Gegenüber also täuschen. Spätestens jetzt wird das Wo? Wo? – Ach, da! Spiel uninteressant.

Diese Erkenntnis bildet auch die Grundlage für ein reales Versteckspiel. Kinder können erst jetzt abschätzen, ob eine andere Person sie leicht sehen und finden kann.

In diesem Alter sind Geheimnisse noch magisch. Meistens sind sie mit Überraschungen und Geschenken verbunden. Die Kinder nehmen etwas nur dann als Geheimnis wahr, wenn es auch als Geheimnis angekündigt wird. Also z. B. das Geburtstagsgeschenk für die Oma.

Genau darum können einen Kinder dieses Alters in Verlegenheit bringen. Sie plaudern alles aus, was nicht vorher als Geheimnis vereinbart wurde.

Selbst wenn das passiert, können Kinder dieses Alters, ein Geheimnis noch schlecht wahren. Es platzt förmlich aus ihnen heraus.

„Mama, wir haben eine Überraschung für dich, aber ich darf dir nicht sagen, was es ist. Das ist ein Geheimnis. (meistens mit wichtiger Stimme vorgebracht.“ – Schon ist die Überraschung nur mehr halb so groß.

Geheimnisse in diesem Alter sind meist harmlose und gute Geheimnisse.

  • Die Tüte Gummibärchen, die unter dem Kopfpolster versteckt ist.
  • Das Tuch von Mama, das im Kindergartenrucksack landet, weil es so gut nach ihr riecht.
  • Papas Polster, der ins eigene Bett wandert, weil er Geborgenheit gibt.

Diese Geheimnisse solltest du großzügig übersehen. Dein Kind braucht sie für seine Entwicklung.

Geheimnisse im Alter von 5 -6 Jahren

Ab dem Alter von 5 – 6 Jahren sind Geheimnisse eine aktive Entscheidung. Die Kinder entscheiden, was sie für sich behalten und was sie verraten.

Gleichzeitig werden Geheimnisse als Bestandteil der Kinderfreundschaft empfunden. Sie sind ein Ausdruck von Verbundenheit, Zugehörigkeit und Loyalität.

Das Geheimnis wird zu etwas, das nicht verraten werden darf. Wenn es doch verraten wird, dann wird das Kind oft beschuldigt eine Petze oder nicht vertrauenswürdig zu sein.

Genau in diesem Alter tauchen oft die ersten schlechten Geheimnisse auf.

Bedrückende Geheimnisse sind oft ein Ausdruck dafür, dass das Kind Angst vor Strafen oder Konsequenzen hat. Die Straferwartung steigert das Geheimhaltungsbedürfnis. Das heißt: Je mehr sich dein Kind vor Strafen fürchtet, desto eher wird es etwas geheim halten. Dabei ist nicht entscheidend, ob du wirklich strafen verhängen würdest. Es reicht die Befürchtung.

Daher ist es ganz wichtig, dass du deinem Kind zeigst, dass es mit allem zu dir kommen kann. Ihr werdet alle Schwierigkeiten gemeinsam meistern, auch dann, wenn du nicht begeistert bist.

Erste Loyalitätskonflikte treten auf, wenn Freunde etwas ausgefressen haben und das Kind bestürmen: „Sag es nicht weiter!“ Wenn dein Kind dir so ein Geheimnis anvertraut, dann ist es ein großer Vertrauensbeweis. Meistens sind das Situationen, die aus Erwachsenensicht kein Drama darstellen und die du leicht tragen kannst.

Allerdings kann es auch sein, dass diese Loyalitätskonflikte mit schwerwiegenderen Fakten zu tun haben, dann musst du die Entscheidung treffen, wie du möglichst behutsam damit umgehst. Wichtig ist, dass du dein Kind dabei nicht bloßstellst.

Geheimnisse von 6 – 11 Jahren

In diesem Alter wird den Kindern klar, dass Vertrauliches unter Freunden bleibt. Sie merken, dass es einer Freundschaft schaden kann, wenn sie Geheimnisse weiter erzählen.

Das ist das Alter der Geheimsprachen, Geheimschriften und Geheimclubs.

Geheimnisse sind zunehmend dazu da die Eigenständigkeit zu stärken und sich der elterlichen Kontrolle zu entziehen.

Auch in dieser Altersgruppe gelten die Angaben für schlechte Geheimnisse der Altersgruppe von 5 – 6 Jahren.

Pubertierende

Jugendliche sind empfindlich war ihre Privatsphäre anbelangt. Sie sind gerade dabei sich abzunabeln und ihre Eigenständigkeit zu leben. Oft erzählen sich zu Hause nicht mehr viel über sich selbst. Das verleitet manchmal zu der Idee, sich anderwertig Informationen zu beschaffen.

Wenn du aus Sorge Briefe, Tagebücher, SMS oder Privatsachen durchsuchst, dann handelt es sich um einen Vertrauensbrauch gegenüber deinem Kind. Dieser wird die Beziehung erst einmal stören.

Daher solltest du abwägen, was schwerer wiegt.

Hinterherschnüffeln aus reiner Neugierde sollte auf alle Fälle tabu sein. Da gilt die Ausrede der Sorge nicht. Du wirst dein Kind damit nur nerven.

Schnüffelnden Eltern fehlt das Vertrauen in ihr Kind und auch in die Beziehung zum Kind. Sie haben Angst, dass sie die eigenen Werte nicht vermitteln konnten.

Recht auf Privatsphäre

Kinder haben ein Recht aus Privatsphäre,
braunen Tagebuch mit Schlüssel

Auch Kinder haben prinzipiell das Recht auf Privatsphäre und Geheimnisse. Dieses Recht ist im Jugendschutzgesetz verankert. In Deutschland kannst du das hier nachlesen. Die Informationen für Österreich findest du hier.

Dieses Recht darf im Einzelfall verletzt werden, wenn sich Eltern begründete Sorgen machen. Also wenn z. B. der Verdacht auf Drogenmissbrauch, Selbstverstümmelung o. Ä. besteht. Allerdings ist das die rein gesetzliche Auslegung. Wie aber bereits weiter oben beschrieben, solltest du dir gut überlegen, ob du nicht vielleicht einen anderen Weg findest, um die gewünschten Auskünfte zu erhalten.

Richtig reagieren im Verdachtsfall

Wenn du einen begründeten Verdacht hast, ist es immer besser das direkte Gespräch zu suchen. Auch hier gilt nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Signalisiere, dass du offen für die Sorgen und Nöte deines Kindes bist. Zeig ihm, dass ihr alle Probleme gemeinsam in Angriff nehmen könnt. Geduld ist auch in diesem Fall gefragt. Vielleicht kommen die Informationen „tröpfchenweise“.

Sorgen vorbeugend klären

Viele Eltern sorgen sich, dass ihr Kind im Internet an die falschen Kontakte gerät oder in einen falschen Freundeskreis kommt.

Am besten ist es, wenn du deine Sorgen ansprichst. Erkläre deinem Kind, warum du diese Befürchtungen hegst und vor welchen Folgen du Angst hast. Zeig deinem Kind auch, dass du ihm grundsätzlich vertraust und legt dann gemeinsam Regeln fest, mit denen ihr euch beide wohlfühlt.

Zimmer und Bad

Gerade Pubertierende brauchen zunehmend ihren eigenen Raum. Das gilt im Innen, wie im Außen. Sie beginnen plötzlich Zimmertüren zu schließen oder gar abzusperren. Selbst Kinder, die bisher keinerlei Scheu gezeigt haben sich innerhalb der Familie auszuziehen reagieren plötzlich „gschamig“ wie wir in Österreich sagen.

Vermeide daher das Zimmer deines jugendlichen Kindes zu betreten, ohne vorher anzuklopfen. Warte auf ein Signal, dass du eintreten darfst und stürme nicht gleich nach dem Klopfen ins Zimmer.

Akzeptiere, dass dein Kind im Badezimmer allein sein will. Ich weiß, das sorgt in manchen Familien zu großem morgendlichen Organisationsaufwand. Aber dein Kind hat Respekt verdient.

Hinweise auf schlechte Geheimnisse

Jetzt fragst du dich vielleicht, wie du erkennst, dass dein Kind ein schlechtes Geheimnis trägt.

Depressionen, Aggressionen oder auch Rückzug können Anzeichen sein. Manchmal gibt es keine dieser Anzeichen, aber du hast ein komisches Gefühl.

Wie gehst du mit schlechten Geheimnisse um?

Am besten ist es deinem Kind zu signalisieren, dass du dir Gedanken machst. Vielleicht hast du gemerkt, dass es in letzter Zeit besonders still ist.

Sprich dein Kind direkt an, ohne es unter Druck zu setzen. Wichtig ist auch, dass du nicht deine eigenen Befürchtungen spiegelst. Denn Suggestivfragen führen bei Kindern dieser Altersgruppe oft dazu, dass sie falsche Angaben machen.

Also nicht: „Kann es sein, dass du in der Schule gequält wirst?“

Besser: „Du bist in letzter Zeit so still. Bedrückt dich etwas?“

Dein Kind darf dann entscheiden, ob es sich dir anvertraut oder lieber noch sein Geheimnis wahrt. Das kann für dich schwer auszuhalten sein. Vielleicht hilft dir dabei, dass Kinder bei Geduld fast immer im Laufe von ca. 14 Tagen von selbst zu reden beginnen. Wichtig ist, dass du immer wieder signalisierst „Ich bin da!“, „Ich höre dir zu.“ und „Du kannst mir alles sagen.“ Du musst das nicht aussprechen, sondern kannst es deinem Kind einfach durch deine Taten zeigen.

Das Teilen von Geheimnissen ist ein Geschenk

Sei dir bewusst, dass es ein großer Vertrauensbeweis ist, wenn dein Kind ein Geheimnis mit dir teilt. Es ist quasi ein Geschenk deines Kindes an dich.

Wenn dein Kind seine Geheimnisse wahren will, dann ist das ok. Respektiere das, so gut es geht.

Eine Ausnahme besteht immer dann, wenn du einen konkreten Verdacht hast, dass dein Kind ein schlechtes Geheimnis hütet.

Geheimnisse oder Privatsphäre

Geheimnisse haben immer auch etwas mit Privatsphäre zu tun. Auch junge Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre. Sie dürfen z. B. ungestört und unbeobachtet spielen. Es ist in Ordnung, wenn sie dir Türe des Zimmers zumachen.

Es erfordert immer Fingerspitzengefühl. Was für ein Kind vollkommen in Ordnung sein kann, ist für ein anderes Verletzung der Privatsphäre. Es gibt Wickelkinder, die sich für den Stuhlgang in ein Versteck zurückziehen, weil sie nicht beobachtet werden wollen. Andere „drücken“ ganz offen und verkünden dann „fertig“.

Manchmal spiegeln Kinder auch, dass sie etwas nicht mehr angebracht finden. Eine Freundin erzählte einmal, dass ihr Kind verkündetet, es werde sie auf die Toilette begleiten, damit sie nicht so alleine sei. Sie fragte nach, wie das Kind auf die Idee käme. Die Antwort erfolgte prompt: „Du machst es bei mir auch immer so.“ Spätestens da heißt es vorsichtig nachfragen, ob das Kind vielleicht lieber auf Hilfe bei der Körperhygiene verzichtet.

Fazit

Geheimnisse haben und brauchen wir alle. Privatsphäre ebenso. Dein Kind hat sie genauso verdient wie du. Wann immer du im Zweifel bist, ob du eine Grenze übertrittst frage dich: „Wie würde ich mich fühlen, wenn mich jemand so behandelt.“ Wenn du dann noch auf die unterschiedliche Persönlichkeitsstruktur Rücksicht nimmst, bist du gut unterwegs.

Bleib gesund und gelassen!

Deine Mütterversteherin

Ilse Maria

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